Eine gerade Linie ist die direkteste Verbindung zwischen zwei Punkten. Sie stellt eine schnelle Möglichkeit dar um von A nach B zu kommen. Schnörkellos, effizient und zeitoptimiert. Aber will man immer so schnell es nur geht von A nach B kommen? Vor allem wenn A schön ist, B reizvoll und das, was zwischen diesen beiden Punkten liegt auch seinen Charme hat. Dann gibt man doch gerne mal der längeren Route den Vorzug. Den Kurven und Steigungen, den Umwegen und Umleitungen. Oder wer wählt schon den Tunnel durch den Berg, wenn der Pass darüber die besseren Aussichten bietet, die flüssigeren Kurven und vielleicht auch die bessere Brotzeit?
Wir haben im letzten Jahr häufig die kurvigere Variante gewählt. Und haben es selten bereut. Sei es in den Bergen Norwegens gewesen, auf den Spuren der Tour de France in den Pyrenäen (welchen wir zugegebenermaßen mit dem Auto gefolgt sind) oder auf „verschlungenen“ Pfaden durch die Alpen. Es muüssen auch nicht immer Berge mit im Spiel sein. Es gibt durchaus auch reizvolle Routen an Küsten, im flachen Land, manchmal sogar in Städten. Aber Steigungen und Gefälle fügen dem Fahrspaß noch eine weitere Dimension hinzu. Und für schöne Ausblicke lohnt es sich meistens hoch hinaus zu fahren.
In den letzten Jahren sind wir schon unzählige kurvige Kilometer gefahren. Sei es im Herbstlaub durch die japanischen Alpen, nachts unterm Sternenhimmel entlang neuseeländischer Küsten oder im Südwesten der USA. Hier nun erst einmal ein Ausschnitt unserer Kurvenerlebnisse des letzten Jahres. Wir beginnen in Skandinavien, machen dann einen Sprung in die Pyrenäen an die französisch-spanische Grenze und beenden die Reise in den schweizer Alpen.
Norwegen
Die Landschaften Norwegens sind so vielfältig wie beeindruckend. Egal ob die Lofoten im Norden, die Fjorde im Süden oder die rauhen Berge in der Mitte des Landes: Das Land ist voll von einzigartigen Szenerien. All das verbunden durch traumhafte Straßen. Es gibt die „Nasjonale turistveger“, ausgezeichnete Landschaftsrouten, welche durch besonders schöne Landschaften führen. Es lohnt sich auf jeden Fall, die eine oder andere Route, wenn sie auf dem Weg liegt, zu fahren. Oder auch einen Umweg dafür in Kauf zu nehmen. Aber es sind nicht nur diese ausgezeichneten Strecken, die Fahrspaß versprechen. Dazwischen gibt es auch viele kleine Sträßchen, die sich an der Küste entlang schlängeln, über filigrane Brücken führen oder auch mal auf groben Schotterpisten in’s Hochland reichen. Immer wieder unterbrochen durch Fähren, welche im norwegischen Straßenverkehr allgegenwärtig sind und immer mal wieder für eine entspannte Pausen sorgen.
Auf unserer Reise durch den Süden Norwegens sind wir die Turistveger Valdresflye, Rondane, Atlanterhavsvegen, Geiranger – Trollstigen, Sognefjellet und Aurlandsfjellet gefahren. Jede davon hatte ihre Reize. Wobei der Trollstigen und die Fahrt hoch auf die Dalsnibba am Geiranger Fjord, der Atlanterhavsvegen (auch wenn der spektakuläre Teil mit den Brücken nur relativ kurz ist) und das Aurlandsfjellet in der untergehenden Sonne uns von allen gefahrenen Turistveger am meisten beeindruckt haben. Den nachhaltigsten Eindruck hat allerdings die knapp 50 km lange Schotterpiste durch das Grimsdalen hinterlassen. Es erinnerte uns ein wenig an das isländische Hochland: rauhe Landschaft, braune Farben und eine schier endlose Weite. Auch hier waren wir spät abends unterwegs, sodass wir kaum ein weiteres Auto getroffen haben. Gleichzeitig war das auch die „Feuertaufe“ für unser erst wenige Wochen altes Auto.
Pyrenäen
Nasses Regenwetter in der Bretagne hat uns in den Süden Frankreichs geführt. Wir wollten unter anderem von der Mittelmeerküste an den Atlantik fahren. Wer in Geografie aufgepasst hat oder Google Maps bedienen kann weiß, dass dazwischen entlang der spanischen Grenze irgendwo die Pyrenäen liegen. Durch die Tour de France sind Namen wie Col du Tourmalet oder Col d’Aspin bekannte Passstraßen, die man aus dem Fernsehen kennt und schon immer mal live erfahren wollte. Zugegeben, für ein paar Etappen auf dem Rennrad hätte es einer intensiveren Urlaubsvorbereitung bedarft. Da diese ausfallen musste und wir zeitlich auch gewissen Restriktionen unterlegen waren, sind wir die Pässe mit dem Auto gefahren. Was für uns das Erlebnis natürlich nicht ganz so intensiv gemacht hat wie für die zahllosen Rennradfahrer, denen wir auf unseren Wegen durch das Gebirge begegnet sind.
Unser Prolog war die Route des Crêtes am Mittelmeer kurz vor der spanischen Grenze. Die Straße schlängelt sich größtenteils einspurig die Hänge hinauf, immer mit Blick auf’s blaue Meer und die Dörfer unten am Ufer. Danach folgte gefühlt ein Pass auf den anderen. Lebhaft in Erinnerung geblieben sind uns neben der Route des Crêtes auch der Col de Pailhères, dessen Anfahrt durch ein schmales Flusstal die Vorfreude mit jedem Kilometer gesteigert hat, und natürlich die Pässe rund um den Col du Tourmalet, quasi die Königsetappe. Nachdem wir die Pyrenäen wieder verlassen haben ging unsere Reise weiter in’s Perigord. Die Berge waren hier natürlich nicht so hoch wie in den Pyrenäen, aber die kleinen, kurvenreichen Sträßchen, welche die einzelnen Dörfer, Schlösser und Gärten miteinander verbunden haben, waren nicht weniger reizvoll zu fahren.
Schweizer Alpen
Die schweizer Alpen liegen quasi vor unserer Haustüre. Und so fahren wir immer mal wieder kurvige Passstraßen, entweder als „Mittel zum Zweck“ auf dem Weg zu einem weiter entfernten Ziel (wie den Splügenpass auf dem Weg an den Lago di Como) oder aber gezielt des Fahrspaßes wegen wie zum Beispiel für die Pässe rund um Andermatt (Furka, Gotthard, Susten, …). Im letzten Jahr war eher Ersteres der Grund für unsere Passerlebnisse in den Alpen. Auf dem Heimweg aus der Toskana sind wir im Engadin vorbei gekommen. Es war Herbstanfang und die Lärchenfärbung hatte in größeren Höhen schon eingesetzt, was fotografisch natürlich auch recht spannend war. Fährt man (vom Lago di Como her kommend) hoch nach St Moritz, überquert man den Maloja Pass. Und weiter gen Heimat geht es über den Flüelapass, den wir bis dahin so gar nicht auf unserem Radar hatten. Die zweite Heimfahrt führte uns wieder aus Italien in die Schweiz und weiter nach Deutschland, dieses Mal jedoch von Meran aus. Den Umbrailpass, eine der geschmeidigsten Passstraßen der Schweiz, hatten wir im schönsten Herbstkleid erleben können (und es war schon fast zu kitschig im Rückspiegel anzusehen, wie hinter uns die gelb gefärbten Nadel im Fahrtwind vom frisch geteerten Asphalt aufgewirbelt wurden). Das braun der Landschaft in größeren Höhen erinnerte uns wieder an die Fjells in Norwegen. So schließt sich der Kreis für die Roads 2022.
Es ist nicht immer die Höhe des Passes oder die Anzahl an Kehren, die ein schönes Fahrerlebnis erzeugen. Beim Montainbiken oder Snowboarden spricht man häufig vom Flow. Und so ähnlich ist es auch beim Autofahren. Es geht nicht darum, einen Pass so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Es geht viel eher darum, flüssig durch die Kurven zu gleiten, dabei die Landschaft zu genießen und an nichts anderes zu denken als an den Moment in dem man sich gerade befindet.
Eine Auswahl an Passstraßen des Jahres:
Hier eine kleine Auswahl an Passstraßen, die uns besonders in Erinnerung geblieben sind und die definitiv einen Umweg wert sind, falls man mal in der Nähe sein sollte.
- Norwegen: Trollstigen, Dalsnibba, Grimsdalsvegen, Valdresflye, Rondane, Atlanterhavsvegen, Sognefjellet, Aurlandsfjellet, …
- Pyrenäen: Col de Pailhères, Routes des Crêtes, Col du Tourmalet, Col d’Aspin, Col d’Aubisque …
- Schweiz: Malojapass, Umbrailpass, Ofenpass, Julierpass, Flüelapass , …