Eines schönen Abends in der Bretagne, wir waren gerade dabei die nächsten Tage zu planen, wurde uns im Verlauf des Browsers unserer Wahl ein Lichterfestival in Berlin vorgeschlagen. Google kennt uns und unsere Gewohnheiten wohl schon recht gut. Vermutlich erinnert sich Google daran, dass wir letztes Jahr in Sarlat la Caneda beim Lichterfestival waren. Der mittelalterliche Stadtkern wurde mit tausenden von Kerzen beleuchtet. Und bestimmt weiß Google auch noch, dass wir in Kyoto in mystisch illuminierte Tempel eingetaucht waren. Nach der Herbstlaubfärbung eine der größten Überraschungen unserer Reise durch Japan. Und weil uns Google so gut kennt, hat es uns vermutlich das Berlin Festival of Lights vorgeschlagen. Was zeitlich wunderbar gepasst hat. Der Urlaub fühlte sich zu diesem Zeitpunkt eh ein bisschen gebraucht an. Wir hatten uns zugegebenermaßen schon hin und wieder gefragt, was wir eigentlich mit der restlichen Zeit noch so alles anfangen wollen. Ein Zustand, welcher uns selten in Urlauben widerfahren ist. Die drei Wochen waren ja eigentlich für Vancouver und Kanadas Westen geplant. Für die Bretagne fühlte es sich nun fast ein wenig überdimensioniert an. Ohne der Bretagne zu nahe treten zu wollen. Das hat sie sicherlich nicht verdient. Aber so ab und zu kamen doch etwas wehmütige Gedanken der Art „… ach, heute wären wir in xy gwesen …“ hoch. Eigentlich unfair der Bretagne gegenüber. Aber: C’est la vie …
Und so kam uns der Hinweis von Google sehr gelegen. Nun ist es von Brest nach Berlin nicht unbedingt ein Katzensprung. Wenn man hingegen sich überlegt, wie viele Kilometer wir durch den Westen Kanadas gefahren wären oder durch Neuseeland gefahren sind, relativiert sich auch diese Distanz. Zudem haben wir auf dem Weg nach Berlin noch einen Zwischenstopp in Ulm eingelegt, was nun auch nicht unbedingt auf dem direkten Weg lag. Aber: It is, as it is …
Soviel erst einmal zum Kontext, in dem uns der nette Hinweis der allgegenwärtigen Suchmaschine getroffen hat. Und obwohl es dieses Festival of Lights wohl schon seit etlichen Jahren gibt, sind wir noch nie darauf aufmerksam geworden.
Eines unserer Hauptziele in der Bretagne war ja die Springflut in St. Malo und am Mont St. Michel. Diese haben wir noch genossen, sind dabei auch ein wenig nass geworden und sind danach relativ zeitnah gen Osten aufgebrochen. Ein paar Tage später waren wir in Berlin.
Angekommen sind wir an einem regnerischen Donnerstag Abend. Eigentlich wollten wir uns nur kurz die Füße vertreten auf der Suche nach einem leckeren Abendessen. Das Festival of Lights sollte erst am nächsten Abend beginnen, somit war das Abendprogramm bei unserer Ankunft noch recht frei entspannt und gänzlich undefiniert. Als wir allerdings so gegen 21:30 Uhr das Restaurant unserer Wahl verließen stellten wir fest, dass die Gebäude am Potsdamer Platz bereits angestrahlt wurden. Teilweise mit Testbildern, teilweise mit „richtigen“ Motiven. Das sah sehr stark nach einer Generalprobe aus. Und wenn sie hier am Potsdamer Platz üben, dann ja vielleicht auch am Brandenburger Tor. Und eventuell am Berliner Dom. Und vielleicht ja auch am Alexander Platz. Und schwupps wurde aus einem „wir-vertreten-uns-mal-kurz-die-Füße“ Spaziergang ein abendfüllendes Programm. An den einzelnen Locations wurden unter anderem die realen Sequenzen abgespielt … und das Beste dabei: fast gänzlich ohne Zuschauer. Es war ein super Erlebnis so entspannt die Darstellungen genießen zu können. Teilweise zwar noch ohne Musik, aber die visuellen Effekte wirkten eh viel stärker als die akustische Untermalung. Kurz vor Mitternacht haben wir uns dann doch wieder auf den Weg zurück zum Hotel gemacht. Die Proben gingen noch weiter. Die nächsten Abende sollten ja aber eh noch sehr farbintensiv werden und auch wenn wir sonst keine konkreten Pläne für die Zeit in Berlin hatten wollten wir doch nicht die ganzen Tage im Hotelzimmer verbringen und ausschlafen.
Am nächsten Tag ging’s erst einmal nach Kreuzberg zum Frühstücken. Wir hatten ja wie gesagt keine konkreten Pläne außer dem Festival of Lights und … dem Pergamon-Museum, für welches wir noch spontan zwei Tickets bekommen hatten bevor es in wenigen Wochen für etliche Jahre schließen wird. Und so ließen wir uns nach einem ausgiebigen Frühstück erst mal durch Berlin treiben. Relativ planlos und nicht so sehr auf der Suche nach Sehenswürdigkeiten, eher auf der Suche nach dem „echten“ Berlin. Wir genießen es hin und wieder einfach durch Städte zu streunen, abseits „ausgetretener Touri-Pfade“. Klingt abgedroschen, hat aber seinen ganz eigenen Reiz. Man nimmt eine Großstadt ganz anders wahr, wenn man nicht einem durch getakteten Plan folgt um auf seiner imaginären Bucket List ein paar Häkchen zu setzen. So kann man zum Beispiel auch tageweise durch Paris schlendern ohne einmal auf den Eiffelturm, in’s Louvre oder den Invaliden Dom abgebogen zu sein (aber sicherlich nicht, ohne eine Crepe gegessen zu haben).
Und so war es auch in Berlin. Eine Curry-Wurst am Ende war dann doch noch drin, aber zwischendurch sind wir durch Kreuzberg, den Prenzlauer Berg, Friedrichshain, … getigert bis es dunkel wurde. Um dann, auf zugegebenermaßen wieder etwas touristischeren Pfaden, die Lichtinstallationen zu bewundern. Es ist echt bemerkenswert, welche Motive auf die Bauwerke projeziert wurden. Mit welcher Präzision und Detailtreue. Und die Auswahl der Sequenzen war zum Teil auch sehr witzig (siehe die Personen, welche sich „durch“ den Fernsehturm am Alexanderplatz gequetscht haben).
Neben den Projektionen auf die großen Gebäuden gab es auch kleinere nicht minder kreative Licht-Installationen. So waren die Abende in Berlin sehr abwechslungsreich und auch spannend, weil man immer noch weitere Lichtspielereien entdecken konnte.