Manchmal muss einem der Zufall ein wenig auf die Sprünge helfen. An einem sonnigen Wintertag wollten wir eine Schneewanderung am Alpsee unternehmen. Jedoch: viel Schnee gab es dort nicht mehr und der eigentlich verschneite Weg war eher eine vereiste Rutschbahn. Das war eher ungemütlich und so musste eine Alternative her. Schnell kamen wir auf den Hauchenberg bei Diepolz. Es war im Sommer ein schöner Spaziergang dort hinauf, warum diesen nicht mal bei Schnee im Winter laufen. Der Ausblick von oben wunderprächtig und Schnee war auch noch reichlich vorhanden. Als wir wieder unten waren und uns auf den Heimweg machten, kamen wir durch kleine Örtchen, in denen gerade Funkenfeuer aufgebaut wurden. Eine kurze Suche bei Google und schnell war klar, dass es an diesem Wochenende Zeit war für die Funkenfeuer. Wir kannten diesen Brauch noch aus Kinderzeiten, als es jeder Jahr ein Ereignis war, wenn auf dem Scheiterhaufen eine (unechte) Hexe verbrannt wurde. Die letzten Jahre ist es dann bei uns in Vergessenheit geraten. Bis heute.
Am Abend des ersten Sonntages in der Fastenzeit, dem Sonntag nach Fasching, brennen in vielen Ortschaften im Allgäu große Funkenfeuer, in denen symbolisch eine „Hexe“ aus Stroh verbrannt wird. Menschen versammeln sich bei Einbruch der Dunkelheit rund um die „Funken“, essen die traditionellen Funkenküchle und beobachten das Feuer, das laut Überlieferung Aufschluss über das kommende Jahr gibt.
Der Ursprung dieses alten Brauches ist bis heute unklar. Zum einen erinnert das Verbrennen der Hexe, des Bösen, zum Ende des Winters daran, die Kraft der Sonne zu stärken und Unheil abzuwenden. Zum anderen wird das Funkenfeuer mit den Fruchtbarkeitsriten und Brandopfern der Kelten in Verbindung gebracht.
In jedem Fall ist es immer ein schönes Erlebnis in eiskalter Nacht um das wärmende Funkenfeuer zu stehen, in’s Feuer hinein zu schauen und dabei zuzusehen, wie der Scheiterhaufen langsam in sich zusammen fällt. Die meisten Feuer finden Sonntags statt, es war aber noch Samstag. Deswegen haben wir uns am nächsten Tag nochmals aufgemacht Richtung Allgäu. Als es noch hell war, sind wir einige Ortschaften abgefahren um nach den Funkenfeuern Ausschau zu halten und eines auszusuchen. Rund um Mittelberg und Nesselwang haben wir einige Scheiterhaufen gesehen. Bei Hindelang werden die Funkenfeuer oben am Berg angezündet und man kann diese vom Tal aus bewundern. Wir fühlten uns an die Johannisfeuer in Ehrwald erinnert, zu denen wir auch nur durch Zufall gekommen sind.
Wir wollten die Feuer aber nicht aus der Ferne oben am Berg betrachten, sondern aus der Nähe erleben. So entschieden wir uns für die Feuer in Oy und in Mittelberg. Die zwei Funken lagen nicht weit voneinander entfernt und das Mittelberger Funkenfeuer wurde auf einem Hügel angezündet. Von dort oben hatte man einen wunderbaren Blick auf die Umgebung und die Funkenfeuer der benachbarten Örtchen. Im Hintergrund konnte man eine von Flutlicht beleuchtete Skipiste erkennen und noch ein Stück weiter in der Ferne die Burg Falkenstein.
Wie bei jedem Feuer, sei es ein Lagerfeuer oder zu Hause der Kamin, hat es irgendwie auch etwas beruhigendes in die Flammen zu sehen. Die Holzbalken glimmen, es knackt und zischt und manchmal meint man Figuren im Feuer erkennen zu können. War da ein Hirsch mit seinem Geweih? Ein Drache, der sich bedrohlich über die Hexe beugt? Oder war es doch ein Dementor auf der Suche nach einem Opfer?
Als die Feuerwehr anrücken musste um ein paar Bäume, die zu nah am Funkenfeuer standen und deren Äste schon leicht kokelten mit Wasser zu besprühen, waren wir wieder im Hier und Jetzt. Und es war auch schon an der Zeit, zum nächsten Feuer weiter zu fahren. Wir wollten sehen, wie es angezündet wird und sich die Flammen langsam ihren Weg nach oben zur Hexe suchten. Als wir in Mittelberg hinauf zum Hügel mit dem Funkenfeuer laufen, sehen wir in der Umgebung die Feuer in anderen Örtchen schon brennen. Und wir kommen genau richtig, als der Scheiterhaufen angezündet wird.
Nach knapp zwei Stunden in zapfiger Kälte war auch das Funkenfeuer in Mittelberg schon ziemlich in sich zusammen gefallen und wir machten uns wieder auf den Heimweg. Ein schöner Brauch, den wir das nächste Jahr bestimmt wieder auf dem Schirm haben werden.