Man kennt das ja schon von den Regenbögen: Am Ende eines jeden Regenbogens findet sich bekannterweise ein Kessel voller Gold. Derjenige, der ihn findet, darf ihn behalten. Steuerfrei, natürlich. Stellt sich nur immer die Frage: An welchem Ende sich der Goldkessel nun befindet: am linken oder am rechten. Empirische Untersuchungen dahin gehend sind bisher leider nicht sonderlich aussagekräftig, da die Faktenlage hierzu noch recht dünn ist. Trotz allem glauben wir fest daran, eines Tages einen dieser Kessel zu finden.
Und was bei einem Regenbogen funktioniert, gilt bestimmt auch für den Milchstraßenbogen. Vielleicht ist der Kessel bei der Milchstraße ja auch größer. Das Gold reiner. Vielleicht ist er ja auch mit Diamanten gefüllt (wo letztens doch erst die Theorie vom Diamantregen auf Uranus und Neptun experimentell nachgewiesen wurde (ziemlich kalt + ziemlich hoher Druck + Wasserstoff + … = Diamantregen)).
Jedoch: Wie findet man denn einen Milchstraßenbogen? Ein Regenbogen taucht einfach auf wenn es regnet und dabei die Sonne scheint. Ein Milchstraßenbogen taucht höchstens dann auf wenn es nicht regnet und die Sonne untergegangen ist. Also haben wir uns erst einmal nachts auf die Suche gemacht.
Um eines gleich vorweg zu nehmen: Wir haben ihn gefunden, den Milchstraßenbogen. Aber von dem Kessel voller Gold, oder gar Diamanten … na ja, lassen wir das
Füssen einmal ganz entspannt
Die Suche beginnt abends am Hopfensee, einige Kilometer nördlich von Füssen. Nach einem sonnigen Tag verabschiedet sich die Sonne von einem fast wolkenlosen Himmel und versinkt in einem nicht verachtenswerten Sonnenuntergang hinter dem See. Die Wolken leuchten noch im Licht der untergehenden Sonne, in der Ferne zeichnen sich die Allgäuer Alpen ab, auf den Spitzen liegt noch etwas Schnee vom letzten Wintereinbruch. Es ist später Frühling. Die Zeit der Lockdowns und nächtlicher Ausgangssperren ist gerade vorüber. Wir genießen die Ruhe am See. Um diese Jahreszeit nicht selbstverständlich.
Vor ein paar Wochen bei unserem Ausflug in’s „Blaue Land“ haben wir bereits ein paar Locations am Rande der Berge ausgemacht, die bezüglich Blickrichtung und Umgebungslicht für ein Panorama der Milchstraße passen würden. In der Nähe vom Forggensee bei Füssen wollen wir unseren ersten Versuch starten. Bis es wirklich dunkel ist, genießen wir noch die Ruhe und fast schon Einsamkeit rund um Füssen. Selbst in der Altstadt von Füssen sind zu später Stunde noch recht spärlich irgendwelche Menschen anzutreffen.
Als es dunkel ist, haben wir unseren Aussichtpunkt erreicht. Der Blick gen Osten ist frei, die Silhouette der Berge und der Forggensee im Vordergrund passen gut in’s Bild. Lediglich die Lichter von Füssen strahlen sehr hell. Wir können den Bogen der Milchstraße trotzdem gut erkennen. Den Viehstall direkt unter der Milchstraße allerdings ebenso. In der Mitte des Panoramas macht er sich allerdings nicht sonderlich fotogen. Wie unfotogen er wirklich ist, erkennen wir erst, als wir die Bilder zu Hause am PC aussortieren. Aber, für den ersten Versuch schon einmal gar nicht so schlecht. Und das Wochenende hat ja gerade erst begonnen.
Wanderung auf den Falkenstein
Am nächsten Tag fahren wir wieder gen Allgäu. Da die Nacht etwas kurz war haben wir die geplante lange Wandertour durch eine Kürzere ersetzt. Schon seit Längerem wollten wir bei Rettenberg hoch auf den Falkenstein. Die Aussicht auf Grünten, das Tal hinter bis Oberstdorf und das Illertal sind recht beeindruckend. Und der Aufstieg ist relativ leicht machbar. Genau das Passende für unseren leicht verschlafenen Zustand. Über Wiesen geht es zuerst zu einer kleinen Aussichtskanzel, von der man einen schönen Blick hinter Richtung Oberstdorf hat. Wir beschließen, dass wir hier auch einmal zum Sonnenuntergang her kommen müssen.
Weiter geht es durch den Wald bis hoch zum Falkenstein. Der schattige Waldweg ist bei der ansonsten sonnigen Wanderung eine wohltuende Abwechslung. Nach einem kurzen Picknick mit Aussicht machen wir uns wieder auf den Abstieg nach Rettenberg. Und der Rückweg sollte es in sich haben.
Zurück nach Rettenberg nehmen wir eine kleine Straße, die hoch bis zu einem Bauernhof führt. Wir nehmen eine Abkürzung, den Bauernhof lassen wir links liegen. Was vermutlich keine allzu schlechte Entscheidung war. Nach ein paar Minuten kommt uns ein Krankenwagen mit Blaulicht und Sirene entgegen. Er fährt bis ganz an’s Ende der Straße. Scheint wohl etwas Schlimmeres passiert zu sein. Kurz darauf folgt ein Notarzt-Wagen. Wieder mit Blaulicht, beide sind nicht gerade langsam unterwegs. Wir laufen weiter, bis wir kurz darauf weitere Sirenen hören.
Wir stehen gerade auf der Außenseite einer der zahlreichen Kurven in der sich die kleine Straße den Berg hochwindet, als das Polizeiauto mit Blaulicht und Sirene den Berg herauf auf uns zugeprescht kommt. Die quietschenden Reifen des Polizeiwagens nehmen wir mit gemischten Gefühlen wahr … und hoffen, dass die Haftkräfte der Reifen gegenüber den Fliehkräften stand halten und das Auto sicher zum Kurvenausgang bringen. Der ambitionierte Fahrer gibt sich jedenfalls große Mühe, den Wagen so schnell wie möglich um die Kurven zu zirkeln. Wann hat man schon einmal eine solch aussichts- und kurvenreiche Anfahrt zu einem Einsatzort.
In der Ferne hören wir bereits die nächsten Sirenen. Als Polizei-Auto Nummer 2 den Berg hoch kommt, warten wir dieses Mal auf der Innenseite einer Kurve, bis es an uns vorbei ist. Der zweite Krankenwagen zieht zügig auf einem geraden Streckenabschnitt an uns vorbei. Der vollbesetzte Polizei-Sprinter kommt eher gemächlich den Berg hoch, Sprinter Nummer 2 dagegen schon wieder etwas sportlicher. Die Zivilstreife ist eher im Ralley-Modus unterwegs und auch die weiteren Polizeiwägen sowie der dritte Krankenwagen sind extrem zügig unterwegs.
Wir laufen leicht irritiert weiter. Das war ein Verkehrsaufkommen, welches man nicht unbedingt auf einer kleinen Nebenstraße im Allgäu erwarten würde. Was genau passiert ist, wissen wir bis heute nicht. Vielleicht war es eine gute Entscheidung, nicht am Bauernhof am Ende der Straße vorbei zu wandern.
Grünten unter’m Milchstraßenbogen
Nachdem das Allgäu so wunderschön ist, fahren wir am Sonntag ein drittes Mal an diesem Wochenende Richtung Berge. Als wir passend zur Abenddämmerung in der Nähe von Oberstdorf ankommen, leuchtet der wolkenlose Himmel in zarten Farben. Nur ein paar Kondensstreifen von Flugzeugen sind zu erkennen und stören den perfekten Farbverlauf von blau nach rosa. Wir warten bis es dunkel wird und der Mond hinter den Hügeln im Westen versunken ist. Dann kommen auch schon die ersten Sterne zum Vorschein, bald darauf sind die ersten Schemen der Milchstraße zu erkennen. Wir stehen auf einer Wiese etwas oberhalb am Berg. Das frisch gemähte Heu duftet wunderbar. Ein junger Fuchs kreuzt unseren Weg.
Je dunkler es wird umso deutlicher kann man die Milchstraße erkennen. Zuerst nur im Südosten, dann auch im Osten über dem Grünten und schließlich auch Richtung Norden. Und da ist er dann. Der komplette Bogen der Milchstraße. Der Kessel voller Gold oder Diamanten? Dafür haben wir gerade keine Zeit. Der Anblick ist zu beeindruckend.
Als i-Tüpfelchen fällt gegen später noch eine Sternschnuppe vom Himmel. Was wir uns gewünscht haben, wird an dieser Stelle nicht verraten …